Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 28.07.2012 18:22von HLooP • Moderator | 1.848 Beiträge
Dann wollen wir mal wieder ein heißes Eisen anfassen. Passend zum Sommerloch.
Ja, auch in Lübeck gibt es Taxiunternehmer die sich wie Menschenschinder benehmen, nicht die Regel, aber auch nicht die unrühmliche Ausnahme. Und natürlich gilt dies nicht nur für Lübeck, sondern bundesweit, insbesondere in Großstädten.
Es ist an der Zeit, die asozialen Lohn- und Beschäftigungspraktiken diverser Unternehmer in Lübeck zur Sprache zu bringen.
Dabei soll auch über die Rechte angestellter Fahrer, aber im Gegenzug auch über deren Pflichten ggü ihrem Arbeitgeber gesprochen werden. Jedoch, wer bei solchen Unternehmern, wie hier zunächst geschildert fährt, dürfte kaum ein schlechtes Gewissen haben, wenn er sich nicht an seine Pflichten hält.
Und um es von vornherein klar zu stellen: Natürlich gibt es auch Fahrer, die gerne schwarz beschäftigt werden wollen, weil sie nebenbei noch aufstocken, aber es sind die Unternehmer, die diese einstellen.
Arbeitnehmer, die unter unten geschilderten Umständen leiden, jedoch vielleicht nicht immer korrekt angemeldet sind, sollten sich jedoch nicht fürchten, gegen solche Unternehmer vorzugehen. Für die Schwarzanmeldung, Steuer- und Sozialabgabenhinterziehung haften immer die Unternehmer. Wer sich als Fahrer selbst anzeigt, kommt in aller Regel so davon.
Um es klar zu stellen, mit diesem Beitrag werden nicht pauschal alle Unternehmer angesprochen. Aber die Berichte über solche Praktiken häufen sich in letzter Zeit.
Es handelt sich hierbei um tatsächliche Fälle aus Lübeck, die jedoch leicht verfremdet sind.
Fall 1:
Ein angestellter Fahrer, sagen wir mal auf 750,- angemeldet, wird krank. Sein Unternehmer, der sonst der Auffassung ist, wer nicht fährt, verdient auch nichts, gewährt ihm großzügig Lohnfortzahlung für 2 Wochen, also 375 €, damit der Fahrer nicht vom Fleisch fällt.
Nach zwei Wochen tritt der Fahrer seinen Dienst wieder an und schaut verdutzt auf seinen Schichtzettel. Da stehen die 375 € drauf, mit einem großen roten Minus davor?
Wie gesagt, wer nicht fährt, hat auch nichts zu verdienen, und wer doch was bekommt, fängt halt mit einem Umsatzminus wieder an, das er erstmal einfahren muss.
Und als kleiner Trost für den Unternehmer und zur Beruhigung des schlechten Gewissens wird dann noch das Krankengeld von der Krankenkasse kassiert. Ach, das ist Betrug? Naja, macht doch nix, kommt da doch auch nicht mehr drauf an.
So nicht ihr Unternehmer
Fall 2:
Der durchschnittliche Mehrwagunternehmer geht ja davon aus, dass seine Fahrer Auto fahren können, das reicht. Wozu also soll man seinem Fahrer erklären, dass auch mal Flüssigkeitsstände geprüft werden müssen? Das darf man ja voraussetzen. Ja, darf man, wenn man dies schriftlich als Anhang zum Arbeitsvertrag (können wir auch mal erklären, was das ist, ein Arbeitsvertrag, falls gewünscht) fixiert und diese Aufgabe auf den Arbeitnehmer übertragen hat.
Tja, aber wir setzen das ja voraus. Was also machen, wenn der Motor nun wegen Ölmangels platzt? Ganz klar, den Schaden zahlen die Fahrer, ist ja deren Aufgabe, das zu prüfen und nicht die des Unternehmers, schließlich gehört ihm das Auto nur, er fährt es ja nicht. Wenn nicht, Abflug Jungs.
So nicht ihr Unternehmer
Fall 3:
Schwups, da war es passiert. Zweimal links, zweimal rechts geguckt, Blinker gesetzt und los. Kennt fast jeder, plötzlich kommt da doch noch einer ums Eck geschossen und irgendwann erwischt es einen dann doch, keine Chance.
Tja, wie gut, wenn man da Taximehrwagenunternehmer ist, denn da hat man ja angestellte Fahrer, die einem den Schaden bezahlen. Und wenn nicht, dann wird eben der Lohn einbehalten.
So nicht ihr Unternehmer
Fall 4:
Was, Du bist drei Wochen am Stück krank, nachdem Du 4 Jahre durchgefahren bist? Willst Du mich verarschen. Da muss ich Dir leider kündigen.
So nicht ihr Unternehmer
Fall 5:
Du willst mit Deinem vollem Umsatz angemeldet werden? Na klar, machen wir. Du fährst 6 Tage 12 Stunden durch, bezahlten Urlaub und LFZ gibt es nicht.
So nicht ihr Unternehmer
Alle fünf Fälle sind aus der jüngeren Vergangenheit und in allen Fällen ist auch bekannt, um welche Unternehmer es sich dabei handelt. In einem Fall soll es eine Selbstanzeige eines ehemaligen Fahrers gegen einen Mehrwagenunternehmer geben.
Wenn das Gewerbe so wenig abwirft, dass man mit dem "normalen Beschiss" am Staat nicht mehr klar kommt, oder weil Herrn Jelens Plausiprüfungen nicht so einfach zu überwinden sind, dann muss man als MWU mal darüber nachdenken, Wagen abzuschaffen, oder vorübergehend stillzulegen. Wir haben einen teilderegulierten Markt, bei erhöhter Nachfrage dürfte es kein großes Problem sein, weitere Fahrzeuge zuzulassen.
Es kann jedoch nicht sein, dass man mit der Angst der Arbeitnehmer spielt, u.a. mit so Aussagen, dass man dafür sorgen werde, in diesem und jenem unternehmen keinen Fuß mehr an Land zu bekommen.
Jeder Arbeitnehmer in Deutschland hat Anspruch auf 20 Tage bezahlten Urlaub, bzw. bei regelmäßig 6 Arbeitstagen auf 24 Tage. Ausserdem hat jeder AN gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. JEDER!
Fangt endlich an, diese Rechte durchzusetzen und lasst Euch mit vollem Umsatz anmelden, denn sonst landet ihr alle in der Grundsicherung und die stockt euch auch keiner mehr auf.
Es gibt mittlerweile etliche Fahrer, die sich mit solchen Problem an die IG-Taxi gewendet haben. Natürlich können wir keine Rechtsberatung leisten, aber in jüngerer Zeit scheinen solche Praktiken Ausmaße anzunehmen, die absolut nicht mehr akzeptabel sind. Wir hoffen aber, dass sich noch ein paar AN trauen, gegen solche Praktiken vorzugehen, ein MWU, der so handelt, hat in diesem Gewerbe nicht verloren!
RE: Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 28.07.2012 22:43von Taxi Taxi • Besucher | 118 Beiträge
Kommen ja alle damit durch bei Jelen...Also ist es Ihm doch wohl auch egal....
Wieviele MWU haben nur 2 Fahrer pro Auto laufen , die Fahrer Sind auf 600 - 800€ angemeldet und die Kisten laufen täglich??Und das Versteht der Jelen nicht....
Die Dummheit fängt doch in unseren Behörden an.....Mehr Prüfen,grössere Strafen , mehr Druck von oben .....
hr. jelen werden Sie mal WACH...Aufstehen....
RE: Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 28.07.2012 23:57von HLooP • Moderator | 1.848 Beiträge
Im Jahresschnitt würde ich sagen 130-150 in der Tagschicht. Also je nach 5, 6, oder 7 Tage Woche dann 3000 bis 4250 Umsatz. Und das ist eine konservative Annahme.
Macht dann bei demnächst wahrscheinlich nicht mehr zulässigen Umsatzbeteiligung in Höhe von 40%
1200€ bis 1700€ Bruttolohn
Mit anderen Worten, jede Anmeldung unter 1200 für einen Vollzeitfahrer dürfte Anlass zur intensiveren Prüfung geben.
RE: Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 29.07.2012 07:15von Graupen Fan • Moderator | 1.076 Beiträge
Zitat von Gelber
Was wäre denn eine angemessene Anmeldung?
So schaut es in Bayern aus...
Quelle: "GEROTAX"
Tarifvertrag Nr. 10
für die gewerblichen Arbeitnehmer des Taxi- und Mietwagengewerbes
in Bayern
vom 13. Mai 2005 - gültig ab 1. Juli 2005
§6
LOHNBESTIMMUNGEN
Der Lohnabrechnungszeitraum umfasst in der Regel einen Kalendermonat. Der tägliche Verdienst errechnet sich aus 1/22 aus der letzten Monatsabrechnung.Die Entlohnung richtet sich nach dem monatlich vereinnahmten Entgelt, abzüglich der Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer.
Sie beträgt:
für alle Arbeitnehmer im Stadtgebiet München 45 %, jedoch mindestens als Garantielohn 1.660 Euro brutto.
für alle Arbeitnehmer der übrigen Orte 40 %, jedoch mindestens als Garantielohn 1.610 Euro brutto.
Diese Garantielöhne werden nur dann gewährt, wenn vom Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung an 22 Arbeitstagen im Kalendermonat angeboten wird. Teilzeitbeschäftigte werden entsprechend ihrer Einsatzzeit entlohnt, wobei mindestens der jeweilige Garantielohn anteilmäßig im Verhältnis zu den Einsatztagen bezahlt werden muss.
Der arbeitstägliche Mindestlohn ergibt sich aus 1/22 des jeweiligen Monatsgarantielohnes. Dem arbeitstäglichen Mindestlohn liegen 11 Stunden, bei Nachtarbeitnehmern im Sinne des § 2, Abs. 5 Arbeitszeitgesetz 10 Stunden, zugrunde.
Die Abrechnung eines laufenden Monats hat bis spätestens 15. des darauffolgenden Monats zu erfolgen. Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist ein Vorschuss zu gewähren.
RE: Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 29.07.2012 09:08von taxirock • 79 Beiträge
Zitat von Graupen FanZitat von Gelber
Was wäre denn eine angemessene Anmeldung?
So schaut es in Bayern aus...
Quelle: "GEROTAX"
Tarifvertrag Nr. 10
für die gewerblichen Arbeitnehmer des Taxi- und Mietwagengewerbes
in Bayern
vom 13. Mai 2005 - gültig ab 1. Juli 2005
§6
LOHNBESTIMMUNGEN
Der Lohnabrechnungszeitraum umfasst in der Regel einen Kalendermonat. Der tägliche Verdienst errechnet sich aus 1/22 aus der letzten Monatsabrechnung.Die Entlohnung richtet sich nach dem monatlich vereinnahmten Entgelt, abzüglich der Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer.
Sie beträgt:
für alle Arbeitnehmer im Stadtgebiet München 45 %, jedoch mindestens als Garantielohn 1.660 Euro brutto.
für alle Arbeitnehmer der übrigen Orte 40 %, jedoch mindestens als Garantielohn 1.610 Euro brutto.
Diese Garantielöhne werden nur dann gewährt, wenn vom Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung an 22 Arbeitstagen im Kalendermonat angeboten wird. Teilzeitbeschäftigte werden entsprechend ihrer Einsatzzeit entlohnt, wobei mindestens der jeweilige Garantielohn anteilmäßig im Verhältnis zu den Einsatztagen bezahlt werden muss.
Der arbeitstägliche Mindestlohn ergibt sich aus 1/22 des jeweiligen Monatsgarantielohnes. Dem arbeitstäglichen Mindestlohn liegen 11 Stunden, bei Nachtarbeitnehmern im Sinne des § 2, Abs. 5 Arbeitszeitgesetz 10 Stunden, zugrunde.
Die Abrechnung eines laufenden Monats hat bis spätestens 15. des darauffolgenden Monats zu erfolgen. Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist ein Vorschuss zu gewähren.
Jaja..der bayrische...
"Ich zitiere mal HLooP aus einem anderen Forum, kürzlich gepostet:
Der bayerische Lohntarif dürfte das Papier kaum Wert sein, auf dem er steht. Er ist nicht allgemeinverbindlich für Bayern und findet somit nur Anwenung zwischen organisierten Unternehmern und Fahrern.
Und selbst dann würde ich drauf wetten, dass der Lohn nur auf dem Papier feststeht."
RE: Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 29.07.2012 10:37von Wattwurm • 309 Beiträge
Zu Fall 1: Der Arbeitgeber (AG) muß an die Krankenkasse seines Angestellten die Umlage U1 überweisen. Da ist ein Pflichtbeitrag! Die Umlage U1 sichert den AG im Falle einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab! Der AG erhält aus der U1-Umlage 80 % seiner Lohnaufwendungen von der Krankenkasse seines Angestellten erstattet!
Wenn der AG von der Krankenkasse des Angestellten also die Lohnfortzahlung zu 80 % erstattet bekommt, aber seinen Fahrer mit einem Negativkonto belastet, dann ist das Betrug! DAS ist Sozialversicherungsbetrug! Wenn ein Arbeitnehmer das Schwarzaufweiss anhand von Lohnabrechnungen belegen kann, sieht der AG vor dem Arbeitsgericht ganz alt aus! Und wenn das die Krankenkasse des Angestellten erfährt, wird der AG mit einer Rückforderung oder gar mit einer Betrugsanzeige konfrontiert werden!
RE: Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 29.07.2012 10:50von Gelber • Besucher | 31 Beiträge
Ich finde die Diskussion um eine angemessene und gerechte Entlohnung der Arbeitnehmer ist (wenn wir denn dabei zu vernünftigen Ergebnissen kommen) wichtig für:
1. Einen pfleglichen Umgang zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
2. Jede zukünftige Tarifgestaltung
3. Das Herausrücken der Branche aus der Schmuddelecke
4. Richtwerte in Bezug auf glaubwürdige Angaben bei der Konzessionsverlängerung und damit
5. Die angemessene Regulierung der Konzessionsanzahlen
6. Für angehende Unternehmer, um Vorstellungen zu bekommen wie Einnahmen und Ausgaben in etwa im Verhältnis stehen.
Um eine zielgerichtete Diskussion zu führen müssen wir realistische Zahlen und einige feste Werte haben, über die wir reden. Sonst wird es mühsam!
Ein Versuch:
HlooP hat als durchschnittliche Tageseinnahme 130 bis 150 € angeführt.
Wollen wir uns auf 140 € einigen?
Als Arbeitszeit schlage ich eine 5-Tage-Woche vor, da sie zumindest aus Arbeitnehmersicht anzustreben ist.
Hat jemand Einwände?
RE: Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 29.07.2012 10:57von Wattwurm • 309 Beiträge
Zu Fall 2: Die Pflichten des Arbeitnehmers (AN) werden im Arbeitsvertrag geregelt. Zu den Pflichten des AN zählt, das er das Fahrzeug in einem sauberen und ordentlichen Zustand an den Ablöser übergibt. Der AG kann verlangen das Ölstand, Kühlwasser, Wischwasser und Reifendruck regelmäßig überprüft werden, das muß dann aber aus dem Arbeitsvertrag auch hervorgehen. Das entbindet den AG nicht von der Pflicht das selbst noch einmal zu kontrollieren und ganz wichtig: Die Wartungsintervalle in der Werkstatt einzuhalten. Wenn etwas kaputt geht am Auto, dann ist es selbstverständlich das der AG dafür aufkommt! Der AG kann den Fahrer nicht dafür haftbar machen, das in der Nacht ein Marder die Schläuche angeknabbert hat und der Kühlwasserverlust einen Schaden an der Zylinderkopfdichtung verursacht hat! Wenn einer Frisörin der Föhn kaputt geht, bekommt sie von ihrem Chef einen neuen Föhn. Das wäre mir neu, das sie diesen Föhn bezahlen muß!
RE: Sind Taxiunternehmer Menschenschinder?
in Sorgen, Nöte, Freuden Lübecker Taxifahrer 29.07.2012 11:04von Wattwurm • 309 Beiträge
Zu Fall 3: Nur bei grob fahrlässig verursachten Schäden oder bei Vorsatz kann der AN in Regreß genommen werden! Alles andere ist "unternehmerisches Risiko"! Aus diesem "unternehmerischen Risiko" kann sich der AG nicht selbst entlassen und dieses Risiko auf seinen Angestellten übertragen! Ein Absolutes No Go!
Ich empfehle die Einrichtung einer "Unfallkasse". Pro Fahrer und Schicht sind 2.- Euro in die "Unfallkasse" zu zahlen, die dann kleinere Schäden, wie Lackkratzer oder Dellen im Blech reguliert!
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